FlamingosundKaninchen

Georgien

Gipfelstürmer*innen!

Gipfelstürmer*innen!

Endlich sind wir oben: auf 3510 Meter über dem Meeresspiegel erreichen wir den Atsunto-Pass. Wir befinden uns auf einem der höchsten Pässe Georgiens in Tuschetien, einer abgelegenen Region im Nord-Osten des georgischen hohen Kaukasus. Kein Auto findet seinen Weg hier her und seit Tagen ist kein Handynetz zu empfangen.
Mit brennenden Muskeln, außer Atem und mit pochendem Herzen blicken wir uns um und erst langsam begreifen wir, dass wir tatsächlich diesen schmalen Schäfer-Pfad mit unseren Fahrrädern überwunden haben.

Die Räder schieben, zu zweit ziehen, vorsichtig ein paar hundert Meter am Abgang entlang radeln, dann wieder zu dritt an einem Rad anpacken, um alles über einen großen Felsen zu wuppen.

Vier Tage haben wir uns durch atemberaubende Berglandschaft auf schmalen Eselpfaden in die Höhe geschraubt, die oft nur 40cm breit sind.

"Es sind Tränen vor Angst und Erschöpfung geflossen.."

"Wir befinden uns auf einem der höchsten Pässe Georgiens"

Viele Wege sind wir doppelt gegangen, um Gepäck und Fahrräder nacheinander die steilen Hänge hinauf zu bringen, konnten höhenängstliches Schaudern abschütteln, um den nächsten Schritt zu wagen und mussten uns mit geschulterten Rädern gegenseitig stützen, um Flüsse mit starker Strömung zu überqueren. Wir wurden immer wieder mit atemberaubenden Ausblicken belohnt.

Für mich war es die erste hochalpine Wanderung und gleichzeitig die erste Hochalpinfahrradtour.
Es sind Tränen vor Angst und Erschöpfung geflossen, Wutschreie wurden gegen die steilen Berghänge gepfeffert und großer Jubel brach auf dem Gipfel aus.

Wir haben scheinbar endlose Graslandschaften durchquert und uns über die Wildblumem gefreut. Wir erspähten schneebedeckte Hänge und Gipfel in der Ferne, staunten über reißende Flüsse, die aus zahllosen Schluchten in die Tiefe stürzten oder durch die Täler rauschten. Direkt unterhalb der Quelle konnten wir unsere Flaschen mit eiskalten Wasser auffüllen. Oberhalb der Pfade thronten Ruinen mittelalterlicher Festungen oder Bergdörfer mit wohl Jahrhunderte alter Geschichte dieser entlegen lebenden Gemeinschaften.

Wir begegnen vereinzelt Schäfern, einmal berittener Grenzpolizei, die unseren Passierschein kontrolliert (Tschetschenien liegt zwischendurch nur wenige hundert Meter entfernt) und ab zu Wanderer*innen. Ansonsten sind es nur wir vier in dieser Landschaft, was auch bedeutet, dass wir Lebensmittel für fünf Tage und vier hungrige Menschen bei uns tragen. Zu Beginn sind unsere Räder schwerer als je zuvor. Glücklicherweise gibt es genug Bergquellen, sodass wir uns um Trinkwasser keine Sorgen machen müssen.

Es war eine unfassbar intensive Erfahrung, eine teilweise extreme Herausforderung. Freude, Erschöpfung, Stolz und Erschütterung wechseln sich ab und ich bin sehr dankbar, dass wir alle gesund und munter in Shatili angekommen sind. 

In Körper und Geist werden die vergangenen Tage bestimmt noch eine Weile nachklingen.